Roberto Succo
Im Jahre 1988 wurde Roberto Succo in Frankreich zum Staatsfeind Nr. 1, als er im Verlauf mehrerer Monate diverse Einbrüche, Vergewaltigungen, Geiselnahmen und Morde beging und der Polizei immer wieder um Haaresbreite entging.
Der Film beginnt zwar mit dem Leichenfund der Eltern Succos, doch wir lernen ihn mit den Augen Léas kennen. Die 16jährige lernt "Kurt" in einer Stranddisco am Ende der Sommerferien kennen, und auch nach dem Urlaubsflirt besucht er sie immer wieder an den Wochenenden. Léa ist zwar klar, daß der überdrehte junge Mann mit dem italiensichen Akzent nicht aus England kommt, und auch seine Altersangaben, die zwischen 19 und 25 schwanken, scheinen nicht besonders vertrauenswürdig, aber für sie ist er die erste Liebe, und da übersieht man schon mal wohlwollend etwas. Etwa, daß er mit ihr Schießübungen unternimmt, sich mit ihr immer in verlassenen Gartenlauben etc. trifft oder er die Autos erstaunlich oft wechselt. Ist er Autohändler oder Geheimagent? Léa ist das egal, denn sie ist verliebt.
In diese Liebesgeschichte dringt immer mehr das andere Leben Succos ein. Mal gesteht er Léa, daß er seine Eltern getötet hat und in der Psychatrie war, dann erzählt er ihr wieder, daß er sie letzte Woche besucht hat. Und der Zuschauer erlebt nebenbei, wie die Polizei teilweise grausige Funde macht und langsam die Zusammenhänge zu erkennen beginnt. Selbst für den Zuschauer ist dies nicht immer leicht, denn durch die fragmentarische Erzählweise und die recht ähnlichen Tathergänge ist es nicht immer leicht, mitzuverfolgen, wer noch vermisst und wer schon tot aufgefunden wurde. Doch diese Unsicherheit ist durchaus gewollt, denn auch in der Beziehung mit Léa entwickelt es sich zu Extremen, weshalb Léa schließlich auch Schluß macht, doch ob Roberto so schnell von ihr ablassen wird, wird hier nicht verraten.
Cédric Kahns Film gelingt die Balance zwischen romantischer Jugendliebe und Bereitschaft zu brutaler Gewalt. Die Intensität von Liebe und Gewalt macht den Film zu einem nicht gerade leicht verdaulichen Werk, aber es lohnt sich allemal, und die Darstellung der Gewalt ist verhältnismäßig subtil, außer an zwei, drei Szenen. Und selbst an den dramatischsten Stellen gönnt der Regisseur einem mal ein befreiendes Lachen, etwa wenn eine Geisel ihre Ruhe damit erklärt, daß sie es als Lehrerin gewohnt ist, mit Kindern umzugehen …
Doch bis zuletzt bleibt Roberto unberechenbar, jedesmal, wenn er etwa als "Alain" jemanden in der Disco kennenlernt, fürchtet man um das Leben dieser Personen. Noch schlimmer ist das natürlich, wenn er mit einer Taschenlampe vor einem Fenster auftaucht oder sich per Waffengewalt eine Mitfahrgelegenheit erzwingt. Die Ereignisse eskalieren, schließlich gibt es Schießereien und Verfolgungsjagden, doch "Roberto Succo" ist kein Actionfilm, bis zuletzt geht es darum, den Charakter des von Neuling Stefano Cassetti meisterhaft gespielten Mörders zu ergründen. Hierbei gelingt es dem Regisseur, viele Facetten auszuleuchten, ohne dem Zuschauer die Entscheidung aus der hand zu nehmen. Selbst wenn Léa schließlich vor der Polizei aussagt, bleibt es aus ihrer Sicht nachvollziehbar, warum sie diesen Wahnsinnigen geliebt hat. So, wie man trotz eines flauen Gefühls in der Magengegend diesen wahnsinnigen Film lieben kann.